Maerz 2008

20. Eintrag – März 2008

Nachdem ich mir die Einträge nochmal angesehen habe, musste ich dann feststellen, dass ich für Februar noch eine Sache vergessen habe.

Am Montag, den 11.2. war japanischer Nationalfeiertag. An diesem Tag waren wieder mal ganz vielen von diesen Plärrautos unterwegs. Mit den Plärrautos hat es folgendes auf sich, soweit ich es durch die Erklärung der Japaner verstanden habe:

Das Spektrum der politisch aktiven Gruppierungen ist, nach Deutschen Masstäben, relativ weit, wobei nach rechts wohl kaum Grenzen bestehen. Dementsprechend sieht man an Feiertagen und auch gerne mal am Wochenende schwarze Minivans und sogar ganze Reisebusse, die komplett schwarz lackiert sind, bis auf das Goldene Emblem des Kaisers und ein paar Nationalflaggen, gerne auch mal die japanische Kriegsflagge. Auf den Autos/Bussen sind dann riesige Lautsprecher montiert, aus denen dann entweder Marschmusik oder lautes Gebrüll quillt. Diese Wagen fahren dann gerne vor den Chinesischen Botschaft bei uns um die Ecke vor und auch gerne vor der Russischen Botschaft. Von dem bisschen, was man verstehen kann, ist alles nicht so wirklich nett. So auch am 11.2. Wir sind dann vor dem Lärm nach Yoyogi-Park zum Meji-Schrein geflüchtet, wo zwar auch der Teufel los war, aber eher so in Karnevalsmanier mit Getrommel und Shrine-Prozession.

 

Mal wieder Fuji-san

Nun aber wirklich zum März. 1.3. war mal wieder angenehmes Wetter, so dass wir entschlossen haben, mal wieder einen Tagesausflug zu machen. Diesmal zur Nordwestseite von Fuji-san, quasi der Schälsick.

Wir haben Tokyo um 12 Uhr (ausschlafen, frühstücken - braucht eben alles seine Zeit) bei 12 Grad und Sonne verlassen. Unterwegs wurde es dann stetig kälter, so dass es bei der Ankunft nur noch 0 Grad waren, und aus der Sonne war dann auch ein Sonne-Wolken-Mix geworden und eine steife Brise wehte dazu, als wir dann an einem der vier nördlichen Seen angekommen sind. Auf dem Weg waren wieder mal lustige Schilder auf der Autobahn, neben Warnung vor Hirschen auch zwei Schilder, die vor Bären (!) gewarnt haben. Leider in der schnelle der Fahrt nicht zu fotografieren. Wir sind dann eine gute halbe Stunde um einen der Seen halb rum gelaufen, aber wegen des schneidenden Windes auch bald wieder zum kuscheligen Auto zurück und über ein paar Nebenstrassen durch restverschneite Wälder nach Gotemba und von da dann wieder nach Hause. Auf dem Weg wäre eigentlich noch ein sehenswertes Tempelchen gewesen, aber der Weg war so matschig, dass wir dann entschieden haben, dass im Sommer mal nachzuholen, wenn der Fuji-Blick zwar nicht mehr so doll ist, aber der Weg etwas trockener.

Das mit der Schälsick kommt im übrigen nicht von ungefähr, denn, wie man vielleicht auf den Bildern erkennen kann, ist die Nordost-Seite ziemlich zerklüftet und ein bisschen, naja hässlich, während die Seiten, die man von Süden und von Tokyo her sehen kann sehr schön glatt und harmonisch ist, genauso, wie man es von den Zeichnungen und Postkartenidyllen her kennt.

In der Woche dann eigentlich nix besonderes.

 

Nikko

Am 8.3. sind wir dann nach Nikko gefahren, auch hier wieder sehr eigentümliche Schilder, die diesmal vor Affen und Biebern warnten (ob es Bieber sein sollten, kann niemand sagen. Slava hat die Schilder auch mal gesehen und schliesst sich meiner Meinung an. Auf den Schilder ist ein plumpes Nagetier mit kurzem, breiten Schwanz abgebildet und gaaanz langen Zähnen und einem Grinsen mit Schnurrhaaren). Auch hier deutlich kühler als in Tokyo (kein Wunder, liegt ja auch gut 1000 m höher) und Restschnee. Dank Nebensaison war es auch relativ ruhig. Ganz anders, als ich 2004 mit Martin im Sommer da war und es von Menschen nur so gewimmelt hat. Wir sind dann brav die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgelaufen und haben ein sehr stilvolles Mittagessen eingenommen – Sushi vom SevenEleven. Da alle Bänke voll waren, haben wir eben unseren eigenen Platz an der Sonne genommen – ein Hoch auf das Cabrio.

Nikko selber ist ein 08/15 Kaff, die Tempelanlagen allerdings lohnen immer einen Besuch. Es ist sehr farbenprächtig und das Blattgold funkelt einen von allen Ecken an. Besonders zu erwähnen sind die berühmten drei Affen (nix [böses] sagen, nix [böses] hören, nix [böses] sehen), die an einem der Pferdeställe als Schnitzerei zu sehen sind, sowie die "schlafende Katze"-Schnitzerei (naja, Japaner fanden es 2004 toll, ich nicht so, deswegen 2008 ausgefallen) und die wohl weltberühmte Shinkyo-Brücke.

Zum Abschluss des Tages sind wir noch zu den Kegon-Falls gefahren, einem der höchsten und wohl auch schönsten Wasserfälle Japans. Der Weg dahin war was für unsere bayrische Bergziege, in 28 (!) Serpentinen rauf und in 33 (!) wieder runter, was einige der japanischen Karren mit qualmenden Bremsen quittierten (kein Wunder, alles diese billigen Automatikgetriebe, die eben keine Motorbremse haben, und die kleinen Bremsscheibchen würde man bei uns einem Mountainbike montieren. "Richtige" Autos haben eben eine Tiptronic, so dass man nicht immer auf der Bremse rumtramplen muss). Gottseidank als zweispurige Einbahnstrasse, so dass man die etwas lahmen Japaner flott wegputzen konnte.

 

Die Kirschblütenzeit und der korrelierende Wahnsinn

Sakura – Zeit der Kirschblüte, so etwas wie Ostern für Japaner. Am Wochenende 15./16.3. hat hier so etwas wie Frühling Einzug gehalten, man kann wieder mit offenem Fenster schlafen ohnen gleich zu erfrieren und auch wieder die Balkonsaison eröffnen, was wir dann auch zum Frühstück am Samstag und Sonntag getan haben. Den Samstag haben wir sehr gemütlich in Ebisu und Hiroo verbummelt, mit Eisessen und ein bisschen Einkaufen. Am Sonntag sind wir dann in den Shinjuku-Koen-Park gefahren, einfach um mal wieder ein bisschen Grün zu sehen und dem Lärm der Plärrautos (wieder mal eine infernalisches Geplärre rund um die chinesische Botschaft) zu entfliehen. Leider war es im Park auch nur so leidlich friedlich, wenn all die Tokyoter, die keine Garten oder keinen brauchbaren Balkon haben (und das sind wohl gut 25 Millionen von 30 Millionen) hatten die selbe Idee. So kam es dann, dass auf den Rasenflächen fast jeder Quadratmeter mit Leuten belegt war, und alles, was nicht mit Bentobox zum Essen auf dem Rasen gegessen hat, stand mit Photoausrüstung um die 4 blühenden Kirschbäume herum um Zillionen von Photos zu machen. Sakura ist DAS Ereignis. Da lassen die lieben Leute auch schon mal die eigentlich noch prächtiger blühenden Magnolien aus den Augen – naja, ich habe mal beides geknippst.

Am 30.3., nach unserer Rückkehr aus dem Malaysia-Urlaub waren wir dann, leider bei etwas grauem Wetter, nochmal in Shinjuku-Koen. Diesmal haben wirklich fast alle Kirschbäume geblüht und der ganze Park war in ein zartes Weiss und ein sanftes rot getaucht. Sehr schön, aber auch grässlich voll.

 

Der Malaysia-Urlaub

Einfach herrlich. Der Flug mit Malaysia Airlines war ganz gut zu ertragen, da wir für die 7 Stunden Flug dankbarer weise einen Platz am Ausgang bekommen haben, und die Beine lang machen konnten. Da der Flug ausserdem nicht besonders voll war, war die Stimmung an Bord ganz OK und viele Leute haben sich auf den Sitzen in den freien Reihen kreuz und quer schlafen gelegt.

Als wir dann um 1 Uhr nachts (gähn!) endlich im Hotel waren, hat sich das ganze leider zunächst nicht so gut angelassen, denn das Zimmer war zwar ganz nett, aber die Klimaanlage hat einen solchen Lärm gemacht, dass an Schlafen nicht zu denken war. Wir haben dann in der Nacht noch zweimal das Zimmer gewechselt und um 4 Uhr endlich im Bett gelegen.

Am nächsten Tag wurden wir dann von Sonnenschein und 30 Grad entschädigt. Im Laufe des Tages haben wir dann auch unser endgültiges Zimmer bekommen, dass dann auch wunderbar war – Blick über die Palmen auf das Meer.

Tja, viel zu berichten gibt es dann eigentlich nicht, wegen des Bombenwetters und des traumhaften Strandes haben wir die Anlage dann für die Woche praktisch nicht verlassen, sondern sind sehr barock zwischen Mahlzeiten und Strand hin- und hergependelt. Da die Anlage sehr weitläufig war, konnte man viel am Strand und durch den Urwald spazieren gehen und Fauna und Flora des Landes Ansatzweise bewundern. Vor allem die Affen waren sehr nett, allerdings nicht während des Frühstücks, denn da waren sie schon eher eine Plage, weil die Biester einen am Tisch gerne überfallen haben und sich sehr wüst benommen haben.

Darüber hinaus hat dieser Urlaub, als unser erster Aufenthalt in Asien ausserhalb Japans, ein paar interessante Fragen auf geworfen, die sich auf Japan und die Japaner beziehen:

  • Warum spricht in Malaysia jeder von der Putzfrau angefangen Englisch, während man in Japan eigentlich immer in verdutzte Gesichter blickt? Warum muss auf dem Flug und im Club Med auch alles extra nochmal auf japanisch erklärt werden?
  • Warum kann man in Malaysia all die schönen und leckeren Sachen billiger kaufen als in Europa? Warum gibt es dort Kinderschokolade, Lindt-Schokolade, After Eight und wieso muss ich mir in Japan stattdessen braune-Bohnen-Pampe kaufen?
  • Warum muss der Club Med Malaysia sich nicht bei seinen Kunden dafür entschuldigen, dass die Bierzapfanlage zum Frühstück nicht in Betrieb ist, während der Club Med in Japan sich dafür zutiefst entschuldigt? Ist es denn nicht normal, zum Frühstück kein Bier trinken zu wollen?
  • Wie kommt es, dass malaysische Menschen in der Mehrheit ein schönes Gebiss haben, mit gepflegten, weissen Zähnen schön in Reih und Glied, während aus japanischen Mündern einen meist verschämt eine gelbliche Trümmerlandschaft anglotzt mit Zahnfehlstellungen, die einen an die ollen Werner-Comics denken lassen?
  • Warum dauern die Einreiseformalitäten in Malaysia 55 Sekunden (incl. Wartezeit), während in Narita man 10-120 Minuten warten muss, bis einem alle Stempel, Bilder und Fingerabdrücke genommen sind und der Zollheini einen doofe Fragen gestellt hat?
  • Wie schaffen es die Malayen, kurz in schnell alles zu erledigen und auch noch höflich dabei zu sein, während man in Japan man sich das Fragen schnell abgewöhnt, wenn man es eilig hat – denn meist kommt ja ausser nix verstehen aber lange rumschwafeln und hektischer Aktivität nix bei raus.

Man weiss es nicht, aber wenn man mich so fragt, dann würde ich sagen, Malaysia hat 6:1 gegen Japan gewonnen. Den einzigen Gegentreffer hat Japan bei der Unaufdringlichkeit gelandet, denn in Tokyo wird man nicht immer "zwangsbedient", sondern kann meist in Ruhe schauen, während in Kuala Lumpur (oder KL (Kä-Äl, wie wir Globetrotter sagen)) die emsigen Verkäufer (nicht selten lustiger Indischer Akzent im Englisch) einem stets etwas aufschwatzen wollen.

 

Where's the butter?

Den März schliesse ich mit einen bisschen Gejammer ab – es gibt keine Butter mehr in Japan. Kein Witz, lest selber nach.

http://www.asahi.com/english/Herald-asahi/TKY200803140076.html

http://www.time.com/time/world/article/0,8599,1737304,00.html

http://www.latimes.com/news/nationworld/world/la-fg-butter18-2008may18,0,6951574.story

http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/asia/article3746900.ece

Wie man sich denken kann, sind die Lebensmittel hier in Japan nicht immer die billigsten, und man hat sich irgendwie dran gewöhnt, dass 200g Butter so um die 350 YEN kosten (also etwa 2.30 EUR) und es manchmal schwierig ist, ungesalzene Butter zu kaufen.

In den letzten Wochen aber war zu beobachten, dass in immer mehr Geschäften zuerst die ungesalzenen Butter aus den Regalen verschwindet, und nach dem Urlaub war auf der gesamten Azabujuban überhaupt keine Butter mehr zu kriegen, wenn man mal von der französischen Butter absieht, wo 50 g 2000 YEN kosten sollen. Auch in den anderen Supermärkten, die wir sonst frequentieren – nix. Inzwischen ist beim National Azabu wieder welche aufgetaucht, aber man darf pro Person und Tag nur ein Paket kaufen – ist das nicht bescheuert? Solche Geschichten kenne ich eigentlich nur von meiner Oma aus der Nachkriegszeit und von dem was Slava so von der Perestroika-Zeit aus St. Petersburg erzählt. Unheimlich, dass man hier in einem hochentwickelten Land sitzt, und dann nicht einmal Butter kaufen kann. Einfach bescheuert, muss ich nochmal sagen. Wo sind wir hier gelandet?

Ansonsten konnte man anhand der Reaktion vieler Japaner erkennen, wie man hier solche Probleme angeht – einfach das Problem leugnen:

Cheffchen hat zwischendrin mal mitbekommen, dass "die Ausländer" sich verstärkt über das Thema Butter unterhalten. Ich habe ihm dann von dem Problem erzählt, und die Reaktion war sinngemäss "Neeeiiiinn, das kann ja garnicht sein". Ich habe ihm dann ein Phot gezeigt, dass ich mit dem Handy gemacht habe, auf dem Klipp und Klar auf japanisch und englisch steht, dass es keine Butter in diesem Supermarkt gibt.

Leugnen – Zweite Stufe: "Ach sooo, das ist nur bei Euren Ausländersupermärkten so", was ich dann so stehen lassen musste, weil ich keine "Japaner"-Supermärkte kenne. Als das ganze dann auch mal in der Financial Times auftauchte, da war dann Schluss und es wurde zugegeben, dass auch seine Frau im Moment keine Butter bekommt. Na, was habe ich gesagt.

P.S. Zu der Sache: Die Preise für Croissants und Buttergebäck haben sich gewaltig erhöht, ca. 20-30% rauf, genau wie Butter, die jetzt, wenn verfügbar, gut 530 YEN (also 3 EUR) für 200g kostet. Im übrigen haben wir den Croissant-Lieferanten gewechselt, weil Burdigala wohl jetzt Butterblend zum Backen verwendet, während bei Joel Robuchon noch alles in und aus Butter ist. Fatal.