September, Teil 1

15. Eintrag - September 2007

Schon komisch, gerade angekommen, und doch läuft nun schon der sechste Monat. Kinders, wie die Zeit vergeht.

 

Typhoon zum zweiten

Böse Zungen würden sagen, die Hälfte der Zeit wird an dieser Stelle über das Wetter gemeckert, naja, ein bisschen wahres ist da dran, denn es ist hier schon ein wenig anders als daheim. Zuhause wird im übrigen ja auch stets über das Wetter und ganz besonders über den schlechten Sommer gemault, also insofern kann ich mir ruhig noch ein paar Sätze zu dem Thema sicher erlauben.

Wir haben gestern und heute morgen (6.9./7.9.) unseren zweiten Typhoon erlebt. Nun, der erste (Ende Juli) war ja eher etwas lasch, aber "Fitow 0709" war schon etwas deftiger. Man konnte im Internet schon seit Montag ablesen, dass gegen Ende der Woche da ordentlich was auf uns zukommen würde, und gestern nachmittag war es dann soweit. Ab der Mittagspause wurden Wind und Regen immer heftiger, so dass alle Kollegen incl. mir die Mittagspause und auch einen Teil danach im Internet verbracht haben und sich die aktuellen Typhoon-Infos angesehen haben, sowie auf diversen Seiten nachgesehen, was der Zugverkehr macht.

Um 14:45 hat uns dann unser Chef informiert, dass das HQ entschieden hat, dass alle Mitarbeiter, die nicht an "very urgent matters" arbeiten, ab 15:00 nach Hause gehen dürfen.

Ein Exkurs hierzu in mehreren Teilen: Normalerweise darf man hier nicht eine Sekunde früher als 17:40:00 vom Schreibtisch aufstehen, insofern ist das schon wirklich was besonderes. Ausserdem hatte ich ja schonmal erwähnt, dass die meisten so busy sind, dass sie bis 21, 22 oder 23 Uhr bezahlte Überstunden machen müssen. Dies ist die eine Seite, die der Sache ein gewisse Relevanz gibt. Zum anderen muss man von der japanischen Eigenart wissen, bei etwas extremerem Wetter das öffentliche Leben quasi lahmzulegen. Aus "Sicherheitsgründen" werden zum Beispiel bei starkem Regem oder Nebel die Expressways gesperrt, und der Verkehr auf winzige Nebenstrassen geleitet (bescheuert, oder?) und auch der Zugverkehr vorbeugend eingestellt.

Dies erklärt, warum die Firma die Leute rechtzeitig nach Hause schicken will, damit auch ja alle nach Hause kommen. Ein sicher sehr sinnvoller Ansatz.

Dies führte dann dazu, dass sich hier zwischen 15:00 und 15:30 die Reihen extrem gelichtet haben (tja, wenn man mal ohne Gesichtsverlust früh die Kurve kratzen kann). Ich habe noch bis 16:00 Uhr ein paar "urgent matters" erledigt, und bin dann mit Fritz Miller raus, denn wir haben uns überlegt, dass zusammenfahren sicher besser ist, denn falls die Bahn dann doch ein Problem haben sollte ist ein Taxi für zwei billiger.

Die Fahrt ging dann aber ohne Probleme, und in Roppongi war es zwar sehr windig, aber kein Regen, so dass ich trocken daheim ankam.

Insgesamt ein sehr komisches Gefühl, so ganz viel früher als im festen Trott nach Hause zu fahren, irgendwie wie schwänzen.

Maren und ich sind dann noch kurz einkaufen gegangen, und haben dann frühes Abendessen gemacht (Kartoffelpüree aus jungen Kartoffeln, Spinat und gebratenen Lachs), eine Stunde lang die NHK-Nachrichten angesehen, in denen der Typhoon natürlich das Hauptthema war, und jede umgefallene Topfpflanze eine eigene Meldung wert war.

Die Nacht selber war dann etwas unruhig, weil man am Knarzen der Schlafzimmerwand hoeren konnte, dass der Wind unseren Wohnturm doch ganz schön hat schwanken lassen.

Am heutigen Freitagmorgen hat es dann, als der Wecker klingelte immer noch ganz schön gestürmt und wie aus Kübeln gegossen. Unter "normalen" Umständen hätte ich ja gesagt, ich gehe erst später ins Büro, aber das ist ja hier nicht drin.

Insofern habe ich meine Tasche mit einer Plastiktüte überzogen, allerdings nicht ohne vorher noch ein T-Shirt, eine Unterhose und ein paar Socken zum Wechsel einzupacken. Da ich keinen guten Camel-Schirm opfern wollte, habe ich dann den kleinen hässlichen blauen Plastikschirm mitgenommen, den ich mal spontan in Herrsching kaufen musste, als uns der Regen am Ammersee böse überrascht hat. Erstaunlicherweise hat diese hässliche Ding dem Wind ganz gut getrotzt.

Wegen Wind und Regen habe ich dann entschieden, nicht den üblichen Weg zur Azabujuban Station zu gehen, sondern möglichst viel unterirdisch oder überdacht durch Roppongi Hills zur Roppongi Station. Das hat zunächst auch ganz gut funktioniert, aber vor dem Mori-Tower waren dann etwa 20 kleinen Mori-Männchen postiert, die mit Mori-Uniform, Mori-Schutzhelmen und Megaphonen alle Fussgänger anplärrten (ausser mir noch ein Mann!). Eigentlich wollten die mich wohl nicht durchlassen, weil wohl der Wind oder Regen da irgendwie den Weg unsicher zu machen schienen, aber wegen "nix verstehen" haben sich mit dann doch durchgelassen und zum Bahneingang eskortiert.

Die erste Etappe zur Arbeit also trocken gemeistert. Bahn normal voll.

In Kinshicho angekommen kurz das Frühstücksteilchen bei Hokuo gekauft und unter dem Vordach verschlungen. Die Idee, mit dem Taxi zur Arbeit zu fahren, konnte ich zunächst mal abhaken, weil am Bahnhof eine Riesenschlange auf Taxis wartete (bei Regen ein übliches Phänomen). Plan B war dann, den fiesen Ausländer raushängen zu lassen, und auf der anderen Strassenseite einfach ein Taxi abzufangen. Von der Ampel aus konnte ich ein freies Taxi sehen, aber der Fahrer leider mich nicht – zu blöd. Ich habe dann noch 5 Minuten versucht eines zu kriegen, aber keine Chance, alle voll.

So bin ich dann bei horizontalem Regen den 10 Minuten weg zur Firma gelaufen. Dort war ich dann heilfroh, mich mit Wechsel-T-Shirt, U-Hose und Socken, sowie der Uniform trockenlegen zu können. Meine nassen Klamotten habe ich am Spind zum trocknen aufgehangen. Ich kann dann nur hoffen, dass heute tagsüber nicht irgendein dämlicher Sparfuchs auf die Idee kommt, die Lüftung in der Umkleide auszustellen, denn sonst muss ich heute in nasse Klamotten, und da wir uns heute abend mit Ishi und Burkhard zum Shabu-Shabu essen treffen wollen, wäre das mehr als doof.

Im Büro sind am heutigen Freitag gut 30% der Plätze leer, naja – kein Kommentar.

Bei dem aktuell herrschen Sauwetter kann man das ganz gut nachvollziehen, dass man einen day-off nimmt.

Ich dachte dann, ich könnte ja meinem Chef mal vorschlagen, dass bei so Sauwetter es vielleicht eine Option wäre, dass ich mein Auto nehme und mit Fritz zur Arbeit komme. Nee, solche Extrawürste wollte er dann doch nicht braten. Zum einen wäre der administrative Aufwand wohl recht hoch, um ausnahmsweise mal mit dem Auto zu kommen (gut, das könnte man ja beeinflussen, aber ohne Wille kein Weg), zum anderen war Chef auch besorgt, dass ich ja einen Unfall haben könnte, da ich das Fahren in Tokyo ja nicht gewohnt wäre und bei Regen ist das alles ja auch soooo viel gefährlicher. Naja, da kann man von halten was man will, schliesslich bin ich zuletzt gut 40.000 km im Jahr gefahren, und insgesamt habe ich in meinem Leben wohl schon gut 300.000 km in allen Teilen der Welt gefahren, und zwar mit dem Auto völlig unfallfrei. Aber auch hier – kein Wille, kein Weg.

Im Gegenzug spiele ich mit dem Gedanken, den Trierern mal vorzuschlagen, den Japanern, wenn sie nach Deutschland kommen erstmal ein Fahrsicherheitstraining zu verordnen, dann die ersten Tage ein Auto mit extra Stossstangen (vielleicht vom Auto-scooter) zu geben, und zuletzt in die Japaner-Autos einen Geschwindigkeitsbegrenzer von 135 km/h einzubauen, denn schneller als 100 km/h darf man hier nirgends fahren. Dat wär doch mal wat, ne?

 

Buntes Allerlei

Ansonsten gibt es noch ein paar kleine Meldungen.

Zuerst, Lickefelds sind wieder in Japan gelandet, die Deutsche Gemeinde wächst also weiter.

Shabu-shabu-Essen am Freitag war ganz lecker und nett, wir haben uns dann gegen 22:00 aufgelöst, weil Ishi und Burkhard noch ein bisschen Fressalienmitbringsel einkaufen wollten und der Heimflug Samstag früh ging. Man muss es ja nicht übertreiben.

Kurz bevor wir zu Hause ankamen klingelte auch kurz mein Handy – Miyamoto dran und offensichtlich schon ganz gut dabei, ähnlich wie Kigawa, den man im Hintergrund hörte. Der Gute wollte noch wissen, ob wir noch in Kinshicho wären und Lust auf ein Bier hätten. Naja, prinzipiell nette Idee, aber leider dann doch zu spät.

Montag war ihm der Anruf dann ein bisschen peinlich, weil er wohl doch schon recht knülle war und nicht mehr genau wusste, was wir telefoniert hatten. Ich habe ihn beruhigt, weil kein Problem und im Prinzip wie ja gesagt auch eine nette Idee. Wobei, ob ich meine Kollegen in dem Zustand vorführen kann, weiss ich nicht genau.

Das WE war dann recht unspektakulär, lange geschlafen, alles schön hösch angehen lassen. Samstag vormittag haben wir beim JTB unsere Tickets für den Kyoto/Nara-Urlaub abgeholt, und danach sind wir am späten Nachmittag mal Richtung Setagaya Art Museum gecruist, weil wir uns die aktuelle Shiseido-Ausstellung ansehen wollten, aber wegen des sehr starken Verkehrs waren wir dann etwas spät dran, so dass wir die Ausstellung selber nicht mehr angesehen haben, sondern nur kurz den Park angesehen und dann wieder nett zurück gecruist (Definition von cruisen: Dach auf, Sonnenbrille auf die Nase und Musssick an (deutsche Musik passt gut nach Tokyo, echt. Ansonsten – es lebe der i-Pod-Anschluss für's Auto).

Samstag abend ein kleines Willkommenssektchen bei Lickefelds.

Sonntag dann noch gründlicher ausgeschlafen, danach Fensterputzen meinerseits und japanisch lernen von Marens Seite. Die Fensterputzer waren zwar erst vor etwa 3 Wochen da, aber der Typhoon hat soviel Dreck auf die Scheiben befördert, dass putzen echt sein musste. Danach dann Starbucks Käffchen und ein kleiner Marsch nach Midtown. Wir wollte eigentlich endlich mal im Mori Art Museum bei uns in Roppongi die Corbusier-Ausstellung sehen, aber es war einfach zu voll, so dass wir, wie die letzten 2 Monate gesagt haben "nächste Woche" – bis zum 25.9. haben wir noch Zeit.

Ansonsten kurz mit Alex Fladerer telefoniert. Netterweise kommen Alex und Diana in der ersten Oktoberwoche zu Besuch, dass wird bestimmt schön.

 

Einkaufsquellen in Tokyo und Umgebung

Wie schon das eine oder andere mal beschrieben, kann man eine nicht unerhebliche Menge an Zeit aufwenden, um in Tokyo lecker und preiswert einzukaufen. Dummerweise finden sich nicht alle Tipps in den Reiseführern und Relocation-Guides wieder. Deswegen hier sowas wie mein Einkaufsführer:

·          Nissin Delicatessen (zwischen Azabu-juban und Akabanebashi): Lecker Wurst! Ist ja schliesslich der kaiserliche Hoflieferant. Machen Werbung damit, dass es nix aus China gibt!

·          National Azabu (in Hiroo): Käääääse! Gerne auch mal mit 30% - 50% Rabatt, wenn das MHD näherrückt und der Käse eigentlich am besten schmeckt total bescheuert, aber für die amerikanische und japanische Kundschaft wohl wichtig und richtig), sehr eindeutige Herkunftsangabe.

·          Meidi-ya (3x in Tokyo), alles frische und Samstags kann man alles probieren

·          Costco: Käse, Nutella, Bonne Maman Marmelade, Beef Jerky und Blubbergetränke

·          "Oishii-san": Wohl das absolute Einkaufshighlight. Oishii-san ist ein Spitzname, den Maren und ich für eine sehr nette Bauersfrau haben, die Freitags und Samstags von 13 bis ca 21 Uhr am Anfang der Azabu-juban ihren Stand aufbaut und frisches Gemüse und Eier verkauft. Die Frau ist wohl so um die 60 oder 70 und kommt mit einem kleinen Lieferwagen angefahren und baut dann an den zwei Tagen ihren Stand auf. Der Name Oishii-san kommt daher, weil die Frau mit ihrem Ausruf "oishii tomato desu" (sinngemäss "leckere Tomaten") ihre potentiellen Kunden zum probieren auffordert und es der erste japanische Satz ist, den Maren verstanden hat. Wir haben dann in den letzten Monaten wohl schon einige Kilo Tomaten, Zwiebeln, Auberginen und Kartoffeln gekauft, immer wirklich lecker und preiswert. Die Gute Frau erkennt uns nun auch seit einiger Zeit wieder und lässt uns immer wieder mal das eine oder andere probieren – naja, nicht alles trifft den unsrigen Geschmack. Diesen Samstag war dann eine andere Kundin da, die uns dann ansprach, wie wir die Auberginen denn zubereiten würden. Wir haben ihr dann unser Rezept über das Auberginen-Tomaten-Sugo erklärt, sie uns dann im Gegenzug ein Rezept für BBQ'ed-Eggplant with Ginger und dann noch so dies und das und jenes. Klang so moderat lecker, aber die wichtigste Info war, dass die Kundin erklärt, bei Oishii-san sei alles "organic", also Bio. Na, da haben wir ja den richtigen Riecher gehabt.