Juli 2008

22.  Eintrag - Juli

Es ist wieder Juli, es ist wieder warm.

Ausserdem haben wir den G8-Gipfel zu Gast, also hier ein paar aktuelle Berichte:

 

Sommer zum zweiten

Es ist wirklich erstaunlich, wie genau man nach dem WEtter die Uhr bzw. den Kalender stellen kann: waehrend es im Juni noch recht passabel war, so mit 20-25 Grad hat sich puenktlich zum Anfang Juli die Temperatur um 10 Grad erhoeht, so dass man nun Nachts im Bett ein Schweißbad nehmen kann, oder mit Klimaanlage schlafen muss - aber zu dem Thema habe ich im letzten Jahr ja einen kleinen Absatz geschrieben...

Wirklich neu ist dann natuerlich auch die Erkenntnis nicht, dass es morgens nicht wirklich angenehm ist, bei 30 Grad und 85% Luftfeuchtigkeit aus dem kuehlen Haus zu gehen und nur darauf zu warten, dass die Klamotten anfangen, an einem zu kleben. Andererseits kann man sich sicher sein, dass einem beim Offenfahren niemals zu kalt werden wird, eher sogar im Gegenteil, wie wir am Samstag (5.7.) bei einem Ausflug nach Kamakura haben feststellen können (man denkt schon mal drüber nach, Dach zu - Klimaanlage an). Kamakura war mal wieder sehr schoen, denn die Hortensien am Hase-Dera standen noch in voller Blüte.

Ausserdem haben wir einer netten alten Dame und ihrem kleinen Antiquitätenladen den besten Umsatz seit Jahren beschert, indem wir eine kleine Messinglaterne, eine Wandrolle, und zwei kleine Drucke gekauft haben.

 

Dämliche Übungen und die Kunst, sich nicht erwischen zulassen

Das klingt im ersten Moment nicht so, als ob es zusammen passt, aber bitte etwas Geduld....

Wie wohl bekannt, liebe Japaner Golf und Baseball - das Land ist mit Drivingranges und Abschlagboxen zu gepflastert, vereinzelt sieht man auch mal einen echten Golfplatz, es wimmelt von Golfladen und kleine Jungs wollen US-Baseballprofi werden. Soweit alles unverdächtig, und vielleicht bei uns mit Fußball zu vergleichen. Das wirklich andere ist aber, das man eigentlich fast immer einen männlichen Japaner (Frauen scheinen resistent zu sein) sehen kann, der gerade "übt", will heissen, in voller Konzentration und mit vollem Korpereinsatz einen nicht vorhandenen Ball wird, mit einem imaginaeren Schläger einen Homerun schlägt oder puttet oder auf der eingebildeten Bahn 18 mit einem Bombenabschlag direkt aufs Grün kommt. Man sieht diese Männer wirklich fast immer, vor dem Fahrstuhl, manchmal auch drinnen, Verkehrshelfer, Taxifahrer - eben einfach jeder, immer und überall. So auch gestern abend im Schwimmbad der Hills wo ich im Moment zweimal die Woche abends nach der Arbeit 20-30 Minuten meine Bahnen schwimme. 

Dort gibt es für die zwei 25-Meter Bahnen nämlich einen Bademeister, der außer Badekappenverleih (ja, hier ist noch Badekappenpflicht) und Wasserprobennehmen nix zu tun hat. Jedenfalls ist dem Armsten natürlich grottenlangweilig und so "übt" er denn auch wie oben beschrieben, allerdings nicht so offen wie die vielen Artgenossen, sondern immer nur dann, wenn die Badegaeste ihm gerade nicht sehen "können dürften", will heissen, wenn man vom ihm wegschwimmt, dann wird geworfen das die Rekorde nur so purzeln, nähert man sich ihm dann wird so getan als ob er ja nie im Leben so etwas auf der Arbeit tun wuerde. Ob der Kerl eigentlich nicht merkt, das sich seine Micky-Maus-Übungen in den Scheiben spiegeln?

Ich denke, ich habe es wohl geschafft, wie versprochen, den Kreis zu schliessen. Darüber hinaus kann man ein ähnliches Verhalten auch im Strassenverkehr beobachten: hat es jemand eilig aber nicht die Vorfahrt, dann wird so getan als ob man den Vorfährtberechtigten nicht gesehen hat und faehrt los - leider kann der Schelm aber nicht aus seiner Haut raus, was ihn dann entlarvt - ein verraterisches kurzes angedeutetes Verbeugen am Steuer und schon ist alles klar. Das erinnert bisweilen doch sehr an  die Taktik beim Thema Butter:

"Ich habe nichts Falsches gemacht und mich trotzdem mal entschuldigt falls es doch jemand gemerkt hat".

 

 

Gipfelwahnsinn auf japanisch

G8 Gipfel in Hokkaido vom 7.7. bis 10.7., 900 km Luftlinie von Tokyo entfernt.

Erinnert sich noch jemand, welches Spektakel es beim letzten G8-Gipfel in Deutschland (Heiligendamm, ne?) gegeben hat. Ganz so ein Tamm-Tamm wird hier nicht gemacht, kaum Berichterstattung in den Medien, aber sehr, naja, interessante Sicherheitsmassnahmen.

In der U-Bahn wird vor Terroranschlägen gewarnt (der einzige Terroranschlag in Japan war übrigens der von dieser bekloppten japanischen Aun-Sekte Mitte der 90er Jahre), die Mülleimer sind alle aus der U-Bahn weg und in jeder Bahnstation läuft ein Polizist mit kugelsicherer Weste und Schlagstock rum – nun ja, wenn es der Sicherheit in Hokkaido hilft, meinetwegen.

Auch in den Roppongi Hills hängen Plakate, dass man wegen des Gipfels "on heightened alert" ist, und auch auf dem Weg zur Bahn am morgen komme ich an einer sinnvollen Polizeiaktion vorbei: Strassenkontrolle!

Die wird bestimmt jeden Terroristen, der nach Hokkaido fahren will rausfischen. Ich habe mal ein Photo gemacht. Eine Spur (von dreien) ist abgesperrt und drei Polizisten mit Winkestäbchen halten nach Verdächtigem Ausschau. Damit die Verdächtigen auch wirklich in die Falle tappen, sind zwei Blinklichter, sowie ein riesiger weisser Polizeiwagen mit vier Blinklichtern aufgestellt, so fängt man Terroristen.

Unnötig zu erwähnen, dass ich in den 10 Tagen, in denen das Ding da war, keine einzige Kontrolle erlebt habe.

 

So, da wir die nächsten Tage im Urlaub sind, wird sich nix tun, aber verkünde schon das nächste Thema:

 

Gespräche mit Dingen, mit sich selbst und die Ansprache durch Dinge